Nachhaltigere Ernährungssysteme: Eine globale Herausforderung

Im zu Ende gehenden Jahr fanden wichtige Grundsatzdebatten über Ernährung und Nachhaltigkeit statt. So hat der Bundesrat die Nationale Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 verabschiedet, und in New York wurde der UN-Ernährungssystemgipfel durchgeführt. Im Sommer stimmte die Bevölkerung über die Frage ab, welche Mittel beim Anbau von Nahrungsmitteln eingesetzt werden dürfen. Die Herausforderungen nachhaltiger Ernährungssysteme werden uns auch im neuen Jahr beschäftigen.

Unter «Ernährung» verstand man früher landläufig die Aufnahme von Nahrung und deren Auswirkungen auf den Körper und die Gesundheit. Im Zentrum standen Qualität und Nährstoffzusammensetzung. Heute verstehen Konsumentinnen und Konsumenten unter dem Begriff «Ernährung» weit mehr. Immer häufiger wird danach gefragt, woher die Lebensmittel stammen, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden und welchen ökologischen Fussabdruck sie hinterlassen. Wie unterschiedlich die Erwartungen an das Ernährungssystem sind, manifestiert sich auch an Volksabstimmungen, wie z.B. bei den Agrarinitiativen im zu Ende gehenden Jahr.

Strategie Nachhaltige Entwicklung

Um die globalen Herausforderungen anzugehen, haben sich die UNO-Mitgliedstaaten mit der Agenda 2030 einen Referenzrahmen gesetzt und sich verpflichtet, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda auf nationaler und internationaler Ebene umzusetzen.

Auch die Schweiz orientiert sich an der Agenda 2030. Der Bund sieht vor allem bei den Themen «nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion», «Klima, Energie und Biodiversität» und «Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt» Handlungsbedarf. Für diese Schwerpunktthemen hat er in der «Nationalen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» Ziele und Stossrichtungen festgelegt (einen umfassenden Artikel dazu finden Sie auf der BISCOSUISSE-Website).

Im Aktionsplan 2021-2023 wurden die Massnahmen konkretisiert: Eine gesunde, ausgewogene und nachhaltige Ernährung fördern, Lebensmittelabfälle reduzieren, die Nachhaltigkeit entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette steigern und die Resilienz des Ernährungssystems stärken. Im Detail strebt der Bundesrat u.a. an, den Anteil der Bevölkerung, die sich nach den Empfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide gesund und ausgewogen ernährt, auf einen Drittel zu steigern und die Nahrungsmittelverschwendung zu halbieren. Seine Strategie präsentierte der Bundesrat auch am UNO-Ernährungssystemgipfel als zentralen Bestandteil des Schweizer Fahrplans zur Transformation der Ernährungssysteme.

Ernährungsstrategie

Im Bereich Ernährung hat der Bundesrat seine Ziele auch im Rahmen der «Ernährungsstrategie 2017-2024» festgehalten, deren Massnahmen im Aktionsplan der Ernährungsstrategie festgehalten sind. Dieser umfasst die vier Handlungsfelder «Information und Bildung», «Rahmenbedingungen», «Koordination und Kooperation» und «Monitoring und Forschung». Politische Forderungen nach einer Besteuerung oder nach vergleichbaren Vorschriften für zuckerhaltige Getränke und Lebensmittel haben sich auch 2021 als nicht mehrheitsfähig erwiesen, wie jüngst die klare Ablehnung einer Standesinitiative des Kantons Genf zeigte. Die im Auftrag der IG Erfrischungsgetränke von gfs.bern durchgeführte repräsentative Umfrage zum «8. Monitor Ernährung und Bewegung 2021» zeigt, dass eine Steuer auf zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel sowie Verbote von ungesunden Lebensmitteln von den Befragten deutlich abgelehnt werden.

Ganzheitliche Lösungsansätze – auch in der Agrarpolitik

Politische Vorstösse thematisieren zunehmend die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit. So will die Motion «Gesamtheitliches Konzept zur Zuckerversorgung in der Schweiz» den Bundesrat beauftragen, ein gesamtheitliches Konzept zur Zuckerversorgung der Schweiz zu erarbeiten. Das Konzept soll «Fragen bezüglich der Wirtschaftlichkeit der Zuckerverarbeitung in der Schweiz, der Umweltschäden durch intensiven konventionellen Rübenanbau, gesundheitlichen Auswirkungen eines (übermässigen) Zuckerkonsums sowie die Importfrage (Abhängigkeit Saatgut, Stärkung von Fairtrade Zucker aus Übersee) aufgreifen und in einer gesamtheitlichen Sicht Lösungen und Massnahmen vorschlagen, welche die negativen Begleiterscheinungen des Zuckers dauerhaft reduzieren.»

Eine gesamtheitliche Sicht hat der Bundesrat auch auf die Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP 22+). Nebst der Stärkung des Mehrwerts landwirtschaftlicher Produkte und der Effizienz der Betriebe sieht die AP 22+ eine weitere Reduktion der Umweltbelastung sowie des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Ressourcen vor. In der Frühlingsession 2021 hat nach dem Ständerat zwar auch der Nationalrat beschlossen, die Beratung über die AP22+ zu sistieren. Der Bundesrat wurde gleichzeitig beauftragt, dem Parlament bis spätestens 2022 einen Bericht zur Beantwortung des Postulats 20.3931 «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» vorzulegen. Diese Zwischenetappe ändert aber nichts an der Notwendigkeit von gesamtheitlichen Antworten auf agrar-, ernährungs- und nachhaltigkeitspolitische Fragestellungen.