Agrarpolitik: Problem erkannt, aber keine Lösung in Sicht

Diese Woche veröffentlichte der Bundesrat seinen Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik. Darin stellt er fest, dass die «agrarpolitisch bedingt hohen Rohstoffpreise» die Wettbewerbsfähigkeit exportierender Branchen verringert. Aus dem gleichen Grund stellt der Bundesrat eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der zweiten Verarbeitungsstufe auch im Inlandmarkt gegenüber Importprodukten fest. Eine Lösung für dieses Problem lässt der Bundesrat aber vermissen.

Im Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» präsentiert der Bundesrat seine Strategie für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft. Demnach soll die Landwirtschaft im Jahr 2050 weiterhin mehr als die Hälfte der nachgefragten Lebensmittel herstellen. Die Arbeitsproduktivität soll gesteigert und Treibhausgasemissionen sowie Lebensmittelverluste sollen reduziert werden.

Vier Stossrichtungen

Der Bundesrat legt vier Stossrichtungen fest, um diese Ziele zu erreichen: die Sicherstellung einer resilienten Lebensmittelversorgung, die Förderung einer klima-, umwelt- und tierfreundlichen Lebensmittelproduktion, die Stärkung der nachhaltigen Wertschöpfung mit verbesserter Wettbewerbsfähigkeit und proaktiver Nutzung von Ernährungstrends sowie die Begünstigung von nachhaltigem Konsum durch Transparenz, ausgewogene Ernährung und Vermeidung von Food Waste.

Wirtschaftliche Perspektiven

In Kapitel «Wirtschaftliche Perspektiven» des Berichts geht der Bundesrat auf die Frage ein, wie die Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Perspektive für die Land- und Ernährungswirtschaft verbessert werden können. Dazu hält er fest:

«Während die Schweiz im Agrarsektor über einen hohen und komplex ausgestalteten Grenzschutz verfügt, verfolgt sie im Industriesektor eine liberale Aussenwirtschaftspolitik. Die Lebensmittelverarbeitung ist in besonderem Masse von agrarpolitischen Massnahmen betroffen: Einheimische Agrarrohstoffe für die Verarbeitung weisen in der Regel ein im Vergleich zum Ausland höheres Preisniveau auf. Die Lebensmittelverarbeitung wird üblicherweise in zwei Verarbeitungsstufen unterteilt: zur ersten Verarbeitungsstufe wird die Herstellung von schwach verarbeiteten Lebensmitteln bzw. Grundstoffen wie z.B. Fleischwaren, Käse, Mehl, Fruchtsaft und Zucker gezählt, während zur zweiten Verarbeitungsstufe die Herstellung stärker verarbeiteter Produkte wie z.B. Pizza, Schokolade, oder Konfitüre gehört. Die Produkte der ersten Verarbeitungsstufe sind, sofern sie auf in der Schweiz herstellbaren landwirtschaftlichen Produkten basieren, in der Regel durch Zölle geschützt. Die Zölle sind so ausgestaltet, dass nicht nur die landwirtschaftlichen Produzenten, sondern auch die Verarbeitungsbetriebe der ersten Stufe vor der Konkurrenz aus dem Ausland geschützt sind.

Die Herausforderungen sind entsprechend der stark heterogenen Struktur des lebensmittelverarbeitenden Sektors unterschiedlich. Relevant ist insbesondere die Unterscheidung zwischen den binnenmarktorientierten und exportorientierten Branchen. Die agrarpolitisch bedingt hohen Rohstoffpreise stellen eine grosse Herausforderung für die exportorientierten Branchen dar und verringern deren Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten. Für die zweite Verarbeitungsstufe verringern diese auch die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Inlandmarkt gegenüber Importprodukten. Ein Grossteil der landwirtschaftlichen Produktion geht heute als Rohstoff in die lebensmittelverarbeitende Industrie.»

Eine Lösung tut Not

Für die zweite Verarbeitungsstufe sind dies wichtige Feststellungen. Leider ist dem Bericht aber nicht zu entnehmen, wie der Bundesrat den Grenzschutznachteil für die betroffenen Unternehmen zu beheben gedenkt. Hierzu braucht es dringend Antworten. Auch das Thema Ernährungssicherheit darf nicht zu einseitig auf den landwirtschaftlichen Selbstversorgungsgrad abgestützt werden. Vielmehr müssen auch Verarbeitungskapazitäten, mit denen Nahrungsmittel in genügender Menge zu erschwinglichen Preisen hergestellt werden können, berücksichtigt werden. Dazu gehören auch Betriebe der zweiten Verarbeitungsstufe und exportierende Unternehmen, deren Skaleneffekten auch der Inlandversorgung zugutekommen.